Trotz der Corona-Pandemie befinden wir uns in der Hochphase der Urlaubszeit. Der geplante Griechenland-Urlaub musste nach unzähligen Änderungen der Flugzeiten und sich ändernden Abflughafen storniert werden, da irgendwann einem das ständige Umorganisieren von Unterkünften und Parkplätzen einfach auf die Nerven geht. Aus dem Traum von einem ruhigen Urlaub auf einer kleinen griechischen Insel wird es im Jahr 2020 wohl nichts mehr werden. Und das, obwohl das Land eine der geringsten Infektionszahlen europaweit aufweist. Die Pandemie brachte auch in Griechenland den Tourismus fast zum Erliegen und seither kämpft die einheimische Bevölkerung mit desaströsen Auslastungen von 10 bis 20 Prozent. Nicht nur wir, sondern auch die Griechen hätten sich über einen Besuch gefreut - aber es sollte im Jahr der Krise eben nicht sein.
Schlussendlich wurde aus der geplanten Flugreise ein Urlaub im Heimatland Österreich. Die Massen an Werbematerialien der letzten Wochen und der so oft gepredigte Ratschlag der Politiker: "Machen Sie Urlaub in Österreich, unterstützen Sie die heimische Wirtschaft und sichern Sie damit unsere Arbeitsplätze" erfüllten anscheinend voll ihren Zweck. Die Herausforderung lag nur mehr darin, aus der Fülle an Angeboten für eine Familie mit kleinen Kindern ein adäquate Alternative zu Sonne, Strand und Meer zu finden. Da die Wetterstabilität in Österreich auch in den Sommermonaten deutlich labiler als im Mittelmeerraum ist, war eine "Indoor-Ausweichmöglichkeit" für Schlechtwettertage unumgänglich. Könnte vielleicht eine familienfreundliche Therme diesem Wunsch gerecht werden? Sie bietet Action und Fun, und jede Menge Lärm gibt es gratis dazu. Der alternative Urlaubsort in Österreich war gefunden - es wurde eine bekannte Kindertherme in der Steiermark. Endlich konnte das neue Urlaubsziel online gebucht werden und den letzten Arbeitstagen bis zum lang ersehnten Sommerurlaub entspannt entgegengesehen werden.
Eine in Relation zum ursprünglichen Urlaub sehr kurze Anreise brachte uns ans gewünschte Ziel. Nach dem Check-in wurden die Koffer schnell im Zimmer verstaut und los ging es Richtung Vergnügen. Alles wollte von den Kindern so schnell als möglich entdeckt werden und schon waren wir mittendrin im Getümmel des "Thermenlebens". Verwöhnt von angenehmen Wassertemperaturen zwischen 30 °C und 34 °C wechselten wir von einem Becken zum Nächsten, von der BlueCave- zur Thunder-Rutsche, bevor das ganze Spektakel wieder von vorne begann. Die Kinder strahlten und lachten, hatten Spaß und gaben Vollgas. „Welcome in paradise“- zumindest für Kinder… Nach ein paar Runden kannten die meisten Kinder ihr neues Territorium und die Eltern dürften sich von nun an ihre eigene Beschäftigung suchen. Manche suchten den Liegebereich auf und probierten ein Buch oder eine Zeitschrift zu lesen. Bei dem vorherrschenden Lärmpegel durchaus eine beachtliche Herausforderung. Anstatt Stille und Ruhe gab es in dieser Wellness-Oase Action pur und eine Geräuschkulisse, vergleichbar wie bei einem Rockkonzert. Der Großteil der Besucher lies es daher gleich mit dem Lesen - wobei es meiner Meinung nach nicht nur an diesen Umständen lag - und gönnten sich stattdessen lieber ein oder mehrere Getränke an der Poolbar. Immer wieder unterbrach ich meinen Lesefluss und nützte die Pause für eine kleine Beobachtungsstudie, die mich Tag für Tag mehr erstaunte und gleichzeitig mit Sorge erfüllte.
Das Wort „Wellness“ kann ungefähr folgend übersetzt werden:
Erreichen eines höheren Wohlbefindens durch leichte körperliche Betätigung.
Bei meinen kleinen Beobachtungsrunden war das Entdecken von Menschen, die sich körperlich betätigten, ein schwieriges Unterfangen. Wie auf der Suche nach einer kostbaren Rarität stieß ich vereinzelt auf ein paar Erwachsene, die den Drang verspürten, sich zu bewegen. Sie nutzten das riesige Areal der Therme zweckgemäß zum Schwimmen. Klingt wie das normalste der Welt - war es aber paradoxerweise nicht. Der Großteil der Besucher stand im Wasser, lag im Whirlpool oder genoss sitzend einen Cocktail an der Poolbar. Der anscheinend falsch verstandene Begriff von „Wellness“ und das gebotene „Rundum-Sorglos-Paket“ animierte die meisten Leute nicht zu mehr, sondern zu noch viel weniger Bewegung, als sie aus ihrem Alltag gewohnt waren. Die Anzahl der übergewichtigen Frauen, der Männer und leider auch viel zu vieler Kinder war nicht nur besorgniserregend, sondern auch erschütternd. Die überschüssigen Pfunde entstanden natürlich nicht durch eine Woche „Wellnessurlaub“, aber diese Umgebung veranschaulichte sehr demonstrativ die Haltung und Lebenseinstellung gewisser Gruppen von Menschen. Frei nach dem Motto „Ich gönne mir eben auch einmal etwas“ entsteht ein scheinbar entschuldigter Freibrief für hemmungsloses Völlern.
Anstelle von Ausgleich durch Bewegung und Entspannung dominierte in dieser Therme der Gedanke des „Nichtstuns“. Der Körper setzte sich nur in Ausnahmesituationen, wie zum Beispiel zum Aufsuchen des Restaurants oder der Poolbar in Bewegung. Die wenigen Kalorien, die durch diesen minimalistischen Bewegungsdrang verbrannt wurden, konnten jedoch bereits durch den ersten Cocktail an der Poolbar mehrfach kompensiert werden. Wie man sich gut vorstellen kann, ist es eher selten bei einem Getränk geblieben.
Nach einem gefühlt anstrengenden Tag in der Therme hat man sich dann ein gemütliches und ausgiebiges Abendessen verdient. Oder? Das warme Wasser zerrte an den Kraftreserven des Körpers und machte einen müde und erschöpft. Das lag vermutlich an den vielen sportlichen Betätigungen des Tages. Liegen im Whirlpool, treiben im Strömungsbecken, stehen unter der Regenbogendusche und all die anderen Wohlfühl-Goodies. Hungrig wie die Wölfe schritten die Urlauber zum Buffet, wo eine riesige Auswahl an Vor-, Haupt- und Nachspeisen auf den Verzehr wartete. Mit einer ausgefeilten Technik zur Maximierung der Essensbeladung wurden die Teller gekonnt zum Tisch gebracht. Der Schmaus konnte beginnen.
Je nach Vorliebe wurde die einzelnen Gänge nacheinander oder aber auch gleichzeitig verspeist und binnen kurzer Zeit waren die Spezialitäten verdrückt.
Und was kam dann? ...die Poolbar hatte leider schon geschlossen. Kein Problem! An der Hotelbar war noch genügend Platz. Auf ging´s zu einem weiteren Getränk. Man gönnt sich ja sonst das ganze Jahr nichts…
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