Wie komme ich am schnellsten zu meiner günstigen Kreuzfahrt? Suchmaschine Google öffnen, „Kreuzfahrt billig“ eingeben und schon folgen jede Menge Buchungsportale, die um potenzielle Kunden werben. Minus 50% Frühbucherbonus, Traumkreuzfahrt ab 499 EUR und vieles mehr wird dem suchenden Urlaubsgast auf die Schnelle versprochen. Das der Preis nach genauerer Betrachtung meist um einiges höher ist, wissen wir spätestens nachdem wir solche Seiten aufgerufen und gelesen haben. Nichts desto trotz sind Kreuzfahrten mittlerweile massentauglich geworden und für so gut wie jeden Bürger, der über ein nicht armutsgefährdendes Einkommen verfügt, erschwinglich. Dass diese Preise auch in die komplett andere Richtung ausarten können, bleibt in der freien Marktwirtschaft und unserer Liebe zum Kapitalismus natürlich erhalten.
Warum sind Kreuzfahrten so billig?
Billig geht meist mit „Masse“ einher. War es früher ein paar wenigen Auserwählten bzw. der Haute Volèe vorbehalten sich auf Kreuzfahrtschiffe zu begeben, so kann es heute dank Massentourismus Jedermann(frau). Die einfache Lösung dafür schien die Produktion immer größerer Kreuzfahrtschiffe zu sein. Heutzutage gibt es Ozeangiganten, welche Platz für bis zu 7000 Passagiere bieten – zum Beispiel die AIDAnova verfügt über eine Passagierkapazität von 6.600 Personen, die Allure of the Seas von 5400, die Costa Smeralda von 6500 oder die Harmony of the Seas von 5400. Dazu kommen noch circa 2000 Personen Besatzung, die sich um einen reibungslosen Betrieb des Schiffes und den rund um sorgenlosen Traumurlaub kümmern. In Summe ergibt das eine Anzahl von knapp 10.000 Menschen - was der Einwohneranzahl einer Kleinstadt entspricht - die gleichzeitig auf einem Schiff über das Meer tuckern. Stellen sie sich jetzt einmal vor, das das ganze Schiff - eine mittelgroße Gemeinde - in einem Notfall auf die Schnelle evakuiert werden muss. Eine furchtbare Vorstellung, denn ich bezweifle, dass in solchen Extremsituationen eine derart große Menschenmenge weder lange Zeit ruhig bleibt, noch besonnen reagiert.
Hält dieser Trend weiter an?
Einerseits gibt es riesige Schiffe, die weiterhin die große Masse bedienen. Kleine schwimmende Städte, die den Urlaubsgästen jeden nur erdenklichen Wunsch erfüllen: Fischrestaurant, Steakhaus, Sushi Bar, Asiatisches Restaurant, Französisches Restaurant, Indisches Restaurant, Italienisches Restaurant, Mediterranes Restaurant, Tapas Restaurant, Teppanyaki, Brauhaus, Grill, Pub, Snack Bar, Fitnesscenter, Jogging Parcours, Sportplatz, Aerobic, Gymnastik, Pilates, Power Plate, Spinning, Tai-Chi, Yoga, Klettergarten, Kletterwand, Minigolfplatz, Swimmingpool, Wasserpark mit Rutschen, Whirlpool, 3-D Kino, Kino, Open Air Kino, Theater, Diskothek, Nachtclub, Casino, Kinderbetreuung, Spielkonsolen, Unterhaltungselektronik, Kochkurse, Tanzkurse, Boutiquen, Juwelier, Souvenirläden, Aromasauna, Biosauna, Dampfbad, finnische Sauna, Ruheraum und diverse Angebote von Massagen und kosmetischen Behandlungen. Ich hoffe ich habe jetzt nichts vergessen…
Andererseits gibt es eine Reihe von „neuen“ Trends. Bessere Technologien für Umweltschutz, kleinere Schiffe die auf Luxus setzen, Spezialschiffe für Expeditionen, Luxuskreuzfahrten an außergewöhnliche Reiseziele fernab des Massentourismus oder Themenkreuzfahrten mit exquisiter Sterne-Küche. Wer über genügend Kleingeld verfügt, wird in diesem „neuen“ oder doch eher „ursprünglichen“ Segment sicherlich fündig und zufriedengestellt.
Was sagt unsere liebe Natur zum Thema Kreuzfahrten?
Das Fliegen nicht unbedingt umweltschonend ist, weiß mittlerweile so ziemlich jeder. Doch von den CO2-Ausstoßen von Kreuzfahrtschiffen wird in den Massenmedien recht wenig berichtet, obwohl täglich 500.000 Menschen weltweit auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs sind.
Eine Kreuzfahrt hinterlässt einen 36-mal größeren ökologischen Fußabdruck als eine Urlaubsreise mit der Bahn und einen 3-mal so großen als eine Flugreise. Das größte Problem ist die enorme Luftverschmutzung, da fast alle Schiffe auf See mit Schweröl betrieben werden. Dieser Treibstoff ist der günstigste aber auch der dreckigste. Der Nabu (Naturschutzbund Deutschland e.V.) veranschaulicht auf seiner Webseite wie viele Schadstoffe ein Kreuzfahrtschiff pro Tag im Vergleich zu einem Auto verursacht. Der Ausstoß entspricht einer CO2- Menge von 84.000 Autos, Stickoxiden von etwa 421.000 Autos, Feinstaub von circa 1 Million Autos und Schwefeldioxid von gut 376 Millionen Autos.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer für die Natur sind die geänderten Umweltvorschriften für Seeschiffe laut einem Beschluss der International Maritime Organization (IMO), welche mit 1. Januar 2020 in Kraft treten werden. Ab diesem Datum gelten neue Richtwerte für die Umwelt-Grenzwerte von Motorenabgasen, in welchen der Wert für Schwefel im Schweröl von 3,5 auf 0,5 Prozent reduziert wird. Der Trend zu alternative Antriebstechniken wie Flüssiggas (LNG) oder Hybridantriebe könnte in Zukunft das Problem bis zu einem gewissen Grad entschärfen. Bei diesem Lösungsansatz bleibt jedoch die Frage offen, ob damit nur Symptome bekämpft oder die wirklichen Ursachen in Angriff genommen werden.
Wie viel Tourismus können wir verkraften?
25 Millionen Menschen machten im Jahr 1950 weltweit eine Reise, heute sind es bereits 1,4 Milliarden, wobei 45 Prozent davon dem Städtetourismus zugerechnet werden können. Die immer geringer werdenden Flugpreise verleiten unter anderem ganze Horden von jungen Leuten "just for fun" ein Wochenende nach Prag zu fliegen, um sich dort kostengünstig zu betrinken. Eine Entartung des Tourismus angefeuert durch Low-Cost-Flieger. Andere Städte wie Venedig, Barcelona oder Dubrovnik werden regelrecht von Menschenmassen geflutet. Venedig besuchten im letzten Jahr knapp 30 Millionen Menschen und wurde zum Synonym für das Wort „Overtourism“. Der Übertourismus wird zum Störfaktor für die Einheimischen, aber auch für die Touristen selbst. Wenn der Hype - besuchen, fotografieren und posten - weiterhin so rasant zunimmt, wird es bis 2030 laut Report des "World Travel & Tourism Council" zumindest 50 Destinationen geben, die dem Overtourism zum Opfer fallen könnten. Bekannte Städte wie Paris, Prag, Stockholm, San Francisco, Vancouver, Toronto, London oder Berlin finden sich auf dieser Liste.
Um diesen immer größer werdenden Problem entgegenzuwirken, werden von den geplagten Städten verschiedene Ansätze verfolgt und Maßnahmen umgesetzt. Ein paar exemplarische Beispiele sind Slotsysteme für Busse (bestimmte Anzahl von Bussen pro Tag), Lenkung von Touristenströme in weniger frequentierte Regionen, Eintrittsgelder für Kreuzfahrtschiffe pro Tag, Reglementierung und Strafen für "airbnb" oder die Sperre von Sehenswürdigkeiten.
Was sollen wir tun?
Eine einfache Antwort wird es für dieses komplexe Thema nicht geben. Nichts desto trotz kann jeder in einem ersten Schritt sein Verhalten und seine Wünsche genauer betrachten und kritisch hinterfragen. Wie soll mein nächster Urlaub aussehen? Will ich wirklich mit tausenden Passagieren auf einem Ozeangiganten über das Meer schippern? Genügt ein kurzer Landgang, um eine Stadt wie Barcelona kennenzulernen? Meiner Meinung nach ist es wie bei so vielen anderen Dingen auch - weniger ist oft mehr. Ich nenne es gerne Reduktion. Urlaub ist eine wunderschöner Luxus, den sich mittlerweile sehr viele Menschen gönnen können und eine Bereicherung für jedes Leben. Durch eine Urlaubsreise können wir in fremde Kulturen eintauchen, andersartige Sitten und Gebräuche kennenlernen und von kulinarischen Genüssen und der Schönheit des Unbekannten verführt werden. Aber die zunehmende "Geiz-ist-Geil- Mentalität" und die Ungeduld alles jetzt und sofort haben zu wollen, machen auch vor dem Tourismus nicht halt. Allzu oft entscheiden Preis und die sofortige Verfügbarkeit bestimmter Reiseziele den nächsten Urlaub, unabhängig davon, ob mich die Menschen und Kultur des angebotenen Landes interessieren. Eine Reise zu planen, sich einen großen Traum zu verwirklichen - auch wenn ich dafür längere Zeit sparen muss - klingt heute wie eine Geschichte aus längst vergangen Tagen. Vielleicht könnte aber genau diese Ansatz von Entschleunigung und kritischer Hinterfragung, den Trend der vielen kleinen Kurzurlaube, welche mit Sightseeingterminen vollgestopft sind, entgegenwirken. Eine kleine Maßnahme, die jeder von uns mit dem notwendigen Willen in Betracht ziehen und umsetzen kann.
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